Ich habe eben Doktor Schiwago von Boris Pasternak fertig gelesen, ein großartiges Buch!
Man kann es aus sehr verschiedener Perspektive lesen. Als einen Entwicklungsroman aus der Zeit der russischen Revolutionen, als einen Roman über die Liebe und nicht zuletzt als ein Roman über die russische Revolution und die beginnende Sowjetunion, als einen politischen Roman.
Ich hatte ja in den letzten Jahren anlässlich zweier Unfälle und Verletzungen einige russische Romane gelesen oder wieder gelesen. Dostojewski und Tolstoi insbesondere. Ein russischer Freund sagte mir, dass er Boris Pasternak vor allem für seine Gedichte schätzt, die ich leider, da ich kein Russisch kann, nie werde einschätzen können.
Wenn ich den Roman als politisches Buch lese, beeindruckt mich insbesondere die Tatsache, dass trotz der unsäglichen Gräuel und Untaten die revolutionären, opportunistischen und anderen Akteure nie mit einem hasserfüllten Blick gesehen werden. Es ist ein Versuch den Menschen so zu verstehen wie er ist, in seinem teils dummen teils arroganten Bemühen seine Lage oder vielleicht auch die Welt besser zu machen. Insbesondere ein freundlicher Blick auf den Menschen auf den Menschen in einer der finstersten Zeiten der Menschheitsgeschichte. Einer finsteren Zeit, die aus viel gutem Willen entstanden war, natürlich, da wir Menschen sind, nicht nur aus gutem Willen!
Ich habe den Eindruck, dass das Buch unter anderem deswegen noch nicht den Platz in der Literatur gefunden hat, den es verdient , da es dem Wunsch so vieler Literaturschaffenden und Literaturbeurteilenden, der Kommunismus solle doch etwas Gutes sein, nicht entspricht. Es erinnert mich daran, dass viele, der von mir am meisten geschätzten Autoren, was den Umgang mit der Sowjetunion anbetrifft die Augen zugemacht haben . Ich denke dabei an Sartre, Günter Grass, Böll und viele andere.